IN MEMORIAM
Ulrich Schacht
Biografisk information om ULRICH SCHACHT
Der Ordensgründer und ehemalige Großkomtur der Evangelischen Bruderschaft St. Georgs-Orden Ulrich Schacht1 wurde am 9. März 1951 im Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg, zwanzig Kilometer südlich von Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt) geboren. Die ersten drei Monate verbrachte er bei seiner Mutter Wendelgard Schacht, die im November 1950 wegen angeblicher Verleitung zu Landesverrat vom Sowjetischen Militärtribunal in Schwerin zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt worden war. Mit zwölf Wochen kam Ulrich Schacht ins Säuglingsheim Leipzig, bevor ihn seine Großmutter nach Wismar holte. Dort verbrachte er die ersten drei Jahre bei einem befreundeten kinderlosen Ehepaar. Anfang Februar 1954 kehrte die Mutter nach Hause zurück.
Wismar war Schachts Heimatstadt und blieb es durch Schulzeit und Bäckerlehre hindurch. 1968/1969 arbeitete er im Wismarer Überseehafen, danach war er Bühnenarbeiter am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin und absolvierte nebenher ein Pflegepraktikum in der Psychiatrie des Michaelshofes in Rostock-Gehlsdorf, einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen. Mit diesen Eindrücken aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten der DDR ging er ins Theologiestudium an die Universität Rostock.
Seit 1951 war das zweijährige Grundstudium des Marxismus-Leninismus obligatorischer Bestandteil aller Studiengänge. Ulrich Schacht verfasste 1972 in diesem Zusammenhang ein Manuskript über den dialektischen und historischen Materialismus, das als „provokatorische Seminararbeit“ gewertet wurde und zu seiner sofortigen Exmatrikulation führte. Die einzigen Hochschulen, die außerhalb des staatlichen Universitätswesens existierten, betrieben die Kirchen. Schacht zog nach Erfurt und studierte dort an der Predigerschule weiter.
Das Vorbeiziehen sowjetischer Streitkräfte im Sommer 1968 hatte die Bevölkerung im Thüringer Wald und im Erzgebirge unmittelbar miterlebt, in Erfurt war Schacht den jüngsten Ereignissen in der ČSSR nun plötzlich sehr nahe. Vor allem die Gestalt Alexander Dubčeks faszinierte ihn. Die Kontakte nach Rostock blieben vor allem über seine literarische Arbeit erhalten.
Schon als Schüler hatte Schacht Gedichte und Prosa verfasst, aber erst Ende der 1960er Jahre begann er in größerem Umfang literarisch aktiv zu werden. Die deutsche Teilung, zentrale politische, philosophische und theologische Fragen sowie eine besondere Nähe zur Natur beschäftigten und inspirierten ihn. Sie waren und blieben wichtige Themen für sein schriftstellerisches und journalistisches Arbeiten.
Das Theologiestudium an der Universität Rostock bot Raum und Publikum für die intellektuelle Auseinandersetzung mit Literatur und Gesellschaft. Ulrich Schacht trug seine Texte unter anderem in der evangelischen Studentengemeinde vor und gründete zusammen mit anderen Interessierten einen literarisch-politischen Zirkel mit dem Ziel, eine eigene Samisdat-Zeitschrift herauszugeben. Geplanter Titel war „Neue Weiße Blätter“ – in Anlehnung an die Widerstandsbewegung der „Weißen Rose“ gegen die NS-Diktatur. Ein Inoffizieller Mitarbeiter aus dem literarischen Umfeld Schachts, der Autor und FDJ-Funktionär Peter Tille, verriet die Gruppe. Schacht galt als deren intellektueller Kopf und wurde am 29. März 1973 verhaftet. Es folgten neun Monate in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit am Demmlerplatz in Schwerin. Die weitgehende Isolierung von allem, was ihn interessierte, und von allen, die ihn liebten, prägten jene Leidenszeit.
Das Bezirksgericht Schwerin verurteilte Schacht im November 1973 wegen staatsfeindlicher Hetze nach § 106 des Strafgesetzbuches der DDR zu sieben Jahren Freiheitsentzug – für die bloße Absicht, eine literarisch-gesellschaftskritische Zeitschrift herauszubringen. Das Urteil sollte Nachahmer abschrecken. Seine Verteidigung hatte Hilde Lewerenz, langjährige Präses der mecklenburgischen Landessynode, übernommen.
Im Februar 1974 wurde Schacht nach Brandenburg-Görden verlegt, wo sich die größte Strafvollzugseinrichtung der DDR mit durchschnittlich 3000 Häftlingen befand. Der mecklenburgische Landesbischof Heinrich Rathke hielt damals engen Kontakt zu Wendelgard Schacht und sprach ihr Mut zu: Sie solle durchhalten, die Landeskirche werde sich nach der Entlassung um ihren Sohn Ulrich kümmern.
Ulrich Schacht hielt es nicht in der DDR. Noch in der Haft stellte er einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Am 17. November 1976 wurde er freigekauft und siedelte nach Hamburg über. Er studierte Politikwissenschaften und Philosophie, arbeitete von 1984 bis 1998 als Redakteur sowie Leitender Redakteur für Kulturpolitik bei der Tageszeitung „Die Welt“ und der „Welt am Sonntag“, außerdem als freier Autor für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften.
Er war 1987 Gründungsmitglied und bis 2018 Großkomtur (Leiter) des St. Georgs-Ordens, einer von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands approbierten und bei der EKD registrierten evangelischen Bruderschaft. Im Herbst 1989 kehrte er nach seiner Ausreise erstmals wieder nach Mecklenburg zurück und sprach auf einer Demonstration des Neuen Forums in Parchim. Mit den Akteuren und Aktionen der Friedlichen Revolution und der deutschen Wiedervereinigung 1989/90 sowie der bald nach 1990, offen und verborgen, beginnenden Delegitimierung dieser unblutigen Befreiungsbewegungen in Ostdeutschland und im gesamten vormaligen „Ostblock“ durch eine überschaubare, doch einflussreiche Gruppe westdeutscher Linksintellektueller setzte Schacht sich auf unterschiedliche Weise publizistisch auseinander. Nachdem jene „westdeutschen Verhältnisse“ ihm mehr und mehr die eigene Kreativität zu rauben drohten, übersiedelte er mit seine zweiten Frau Stefanie nach Schweden. Ab 1998 lebte er als freier Autor und Schriftsteller in der Region Skåne. Dort schuf er ein bemerkenswertes schriftstellerisches Werk an Lyrik und Prosa, verfasste zahllose Artikel, Reden und Essays und pflegte eine ausgedehnte Korrespondenz per Brief oder E-Mail mit Schriftstellerkollegen, Freundinnen und Freunden sowie Schwestern und Brüdern seiner Bruderschaft. Ulrich Schacht verstarb am 16. September 2018 in Förslöv / Schweden an den Folgen eines Herzinfarkts.
Durch die Herausgeber bearbeiteter Artikel aus: Biografien politisch Verfolgter und Diskriminierter in Mecklenburg 1945 bis 1990, Autorin Rahel Frank, Hg.v. Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Mecklenburg, der Gesellschaft für Regional- und Zeitgeschichte e.V. und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Schwerin 2019, S. 406ff.
Traueranzeige für Ulrich Schacht von Familie und Freunden
in FAZ vom 22.09.2018
Beisetzungsrede von Pfarrer Peter Voß
vom 4. Oktober 2018 in Ängelholm / Schweden
Traueransprache für Ulrich Schacht von Pfarrer Dr. Thomas A. Seidel
vom 10.10.2018 um 14 Uhr in der St. Gertrud-Kirche zu Hamburg
Nachruf auf Ulrich Schacht von Heimo Schwilk
gehalten im Literaturhaus Hamburg am 10. Oktober 2018
Nachruf von Michael Klonovsky: Fahr wohl, alter Schwede, und sei frei!
auf acta diurna vom 17. September 2018
Nachruf
in der Frankfurter Allgemeine Zeitung
Nachruf: Zweifrontenkrieg
von Lothar Müller in Süddeutsche Zeitung
Wenn jemand im Knast geboren wird
Nachruf auf Ulrich Schacht von Dr. Thomas Hartung vom 18. September 2018
Nachruf auf Ulrich Schacht von Dr. Thomas A. Seidel
in IDEA vom 19.09.2018
Nachruf von Ulrich Greiner: Friede ist schwer
in DIE ZEIT vom 19.09.2018
Alexander Kissler, Der Seebär
Alexander Kissler zu Ulrich Schacht, Der Seebär in Die Tagespost v. 20. September 2018
Johann Hinrich Clausen über Ulrich Schacht
in chrismon 21.09.2018
ACHSE des GUTEN v. 19.09.2018
In memoriam Ulrich Schacht
Peter Grimm - Ulrich Schacht: Kein Nachruf
Filmbeitrag vom 29. September 2018 auf Achgut.tv
Nachruf von Dr. Thomas A. Seidel und Traueranzeige
in Glaube und Heimat Nr. 39 vom 30.09.2018
Aufsatz von Heimo Schwilk:
Kämpfen und Lachen - Ein Besuch bei dem Schriftsteller Ulrich Schacht in Schweden
in DIE WELTWOCHE vom 3. Oktober 2018
FREIHEITSGLOCKE September - Oktober 2018
Nachruf auf Ulrich Schacht von Jörg Bernhard Bilke
Gedenkblatt für Ulrich Schacht
in CATO 1- 2019 von Sebastian Kleinschmidt
Daniel Zöllner; Nur mein Schritt bricht die Stille
Zur Lyrik von Ulrich Schacht in - a n b r u ch - vom Januar 2019
Frank Martens zu Ulrich Schacht
in - lebensraum und lyrik - 2019-04
Thomas A. Seidel wird neuer Leiter des St. Georgs-Ordens
Sein Vorgänger Ulrich Schacht war 2018 überraschend gestorben
IDEA Pressedienst vom 29. April 2019
Dr. Heimo Schwilk zu Ulrich Schacht - SCHNEE FIEL IN MEINEN SCHLAF
edition rugerup 2021
Erinnerungen an Ulrich Schacht
Gabriel Berger
Uwe Wolff, Die Fahrt der Ordensbrüder
in TUMULT Winter 2020 - 2021.
Ulrich Schacht - Leise Töne, laute Töne von Erik Lommatzsch
in PAZ v. 5. März 2021
Zum 70. Geburtstag von Ulrich Schacht
in der Jungen Freiheit vom 11. März 2021
Die Unendlichkeit des Schöpfers
Till Kinzel in Die Tagespost vom 16.07.2021, Seite 24
Lesung aus dem Werk Ralph Grünberger und Ulrich Schacht
Leipziger Zeitungvom 2.Juni.2021
Siebzig verweht – Ulrich Schacht und Werner Söllner
von Matthias Buth Erschienen am 19.12.2021 auf: faustkultur.de
Enthüllung einer Gedenktafel für Ulrich Schacht in Wismar
Ostseezeitungvom 14.03.2022
Enthüllung einer Gedenktafel für den verstorbenen Schriftsteller Ulrich Schacht
Pressestelle der Hansestadt Wismarvom 15.03.2022
Enthüllung einer Gedenktafel für Ulrich Schacht in Wismar
Schweriner Zeitungvom 15.03.2022
Enthüllung einer Gedenktafel in der St. Marien-Kirche zu Båstad / Schweden
Sommerkonvent 2023 – In Memoriam Ulrich Schacht "Zukunft braucht Herkunft"
Hov und Torekov / Schweden16. - 18. Juni 2023 in Båstad
LXIII. Sommer-Klausurkonvent mit ausgewählten Gästen in Båstad / Förslöv (Schweden) mit heimischer Kirchgemeinde
Thema: „Zukunft braucht Herkunft“ – Kirche und Gesellschaft unter Säkularisierungsdruck.
Erfahrungen und Perspektiven in Schweden und Deutschland
Detailierte Programminformationen als PDF-Dokument
Staffan-Carlsson - Dag Hammarskjöld, deutsch
Thomas A. Seidel - Ulrich Schacht
Thomas A. Seidel - Dietrich Bonhoeffer
Günther Watz, Zukunft braucht Herkunft, deutsch
Detaljerad programinformation som PDF-dokument - Sommarkonvent 2023
Thomas A. Seidel - Dietrich Bonhoeffer, schwedisch
Thomas A. Seidel - Ulrich Schacht, schwedisch
Staffan Carlsson - Dag Hammarskjöld
Günther Watz, Framtiden behöver ursprung, schwedisch